Derzeit scheint es, als ob alle Bereiche unserer Gesellschaft mit eigenen Rettungsforderungen für die „Nach-Corona-Zeit“ auf den Plan treten. Und viele Menschen fragen sich, wie soll das alles zusammengehen und mit der ökologischen Transformation angesichts der Klimakrise vereinbart werden? Wir sprachen dazu mit Dr. Katharina Reuter, die seit 2014 als Geschäftsführerin die Aktivitäten von UnternehmensGrün leitet, dem Bundesverband der grünen Wirtschaft.
Nachhaltig oder wirtschaftlich, ist das ein Widerspruch?
Nein, denn ein „toter Planet ist auch nicht gut für die Wirtschaft“. Außerdem rechnet sich Umweltschutz auch für die Unternehmen. Effizienzsteigerung durch moderne Heizsysteme, erneuerbare Energien, Recycling und vieles mehr bedeuten zunächst Investitionen, nach der Amortisation jedoch Kostenvorteile gegenüber dem Wettbewerb und nicht zuletzt auch Imagegewinn bei Kunden, Mitarbeitenden und Partnern. Es wäre aber wichtig, den wahren Preis der Produkte und Dienstleistungen zu berechnen, statt die Umweltkosten auf die Allgemeinheit umzulegen.
Wie stehen grüne Unternehmen zur Landwirtschaft?
Der Verein UnternehmensGrün hat einen ganzheitlichen Blick auf die Wirtschaft und die Gesellschaft und weiß, dass „die Wirtschaft“ nicht etwas ist, was losgelöst von allen anderen Bereichen funktioniert, sondern als integraler Bestandteil. Gerade jetzt in Corona-Zeiten bekommt die Subsistenz in vielen Unternehmen wieder einen höheren Stellenwert, resiliente Lieferketten und eine stärkere Regionalität rücken in den Fokus und werden nicht nur als Kostenfaktoren betrachtet. Und beim Stichwort Versorgungssicherheit ist die Landwirtschaft natürlich unverzichtbar. Zudem sind einige unserer Mitglieder sehr eng mit der Landwirtschaft verwoben, etwa Bierbrauer oder Lebensmittelhersteller- und Händler. Wir sehen, wie wichtig eine zukunftsfähige Landwirtschaft als Standortfaktor für die Wirtschaft ist.
Was kann die Landwirtschaft von grünen Unternehmen lernen?
Unser Verein arbeitet seit über 25 Jahren für die Nachhaltigkeit und wir haben erlebt, wie dick die Bretter sind, die da gebohrt werden müssen. Um Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und letztlich Unterstützung zu erhalten, braucht es Transparenz und Nachweisbarkeit, es genügt nicht, Dinge nur zu behaupten. Und gleichzeitig reichen die bloßen Fakten nicht aus, um Menschen zu überzeugen und zu begeistern. Wir müssen auch die Gefühle, die Werte und Grundüberzeugungen ansprechen und Geschichten erzählen, mit denen sich viele Menschen identifizieren können. Das klappt am besten in einem Netzwerk, in dem wir einander stärken und inspirieren können. Und wir sollten aufhören zu sagen, dass wir „die Guten“ seien. Zutreffender wäre doch, dass wir „weniger schlecht“ sind.
Aufruf von Unternehmerinnen & Unternehmern zur Coronakrise
Corona verändert unsere Welt. Die Krise hat tiefgreifende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Mit den Soforthilfen wurden erste Negativeffekte abgefedert. Es kommt jetzt darauf an, die mittel- und langfristigen Konjunkturprogramme so klug auszugestalten, dass sie die notwendige Transformation der Wirtschaft voranbringen. Klimaschutz, Solidarität und Corona lassen sich nicht gegeneinander aufrechnen! Das wissen verantwortungsvolle Unternehmerinnen und Unternehmer. Allerdings werden bereits erste Akteure laut, die fordern, Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen oder soziale Aspekte in Lieferketten auszusetzen. Daher braucht es ein starkes Signal aus der Wirtschaft heraus, dass die Unternehmen auch weiterhin hinter sozialen und ökologischen Maßnahmen stehen.
Hier kommen Sie direkt zum Aufruf und können unterzeichnen
UnternehmensGrün:
Wirtschaft und Ökologie, das scheint für viele Menschen noch immer ein Widerspruch zu sein. Nicht so für UnternehmensGrün, den Bundesverband der grünen Wirtschaft. 15 UnternehmerInnen gründeten den Verein im Jahr 1992, um ihrer Vision einer ökologisch nachhaltigen und zugleich unternehmerisch erfolgreichen Wirtschaft eine Stimme zu verleihen. Heute sind es mehr als 350 Mitgliedsunternehmen, darunter Selbständige, kleine und mittlere Firmen bis hin zu bekannten Größen, wie Werner & Merz mit ihren Frosch-Produkten, Neumarkter Lammsbräu, GLS Bank oder Memo Bürobedarf.
Zu den Forderungen und teilweise auch erreichten Zielen in der 25-jährigen Geschichte von Unternehmensgrün zählen eine faire Ökosteuer, die Initiative für ökologisches Bauen, die Vorbereitung des EEG, verantwortliche Banken- und Kapitalpolitik, Gutachten zur Agro-Gentechnik-Gesetzesnovelle, Vorschläge zum gerechten Welthandel im Zuge von Freihandelsabkommen.
Zur Person:
Dr. Katharina Reuter ist studierte Agrarökonomin und arbeitete von 2000 bis 2005 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet. In dieser Zeit war sie auch ehrenamtlich im Vorstand des Zentrums Ökologischer Landbau Mittel-und Osteuropas, EkoConnect e.V. aktiv. Die nächsten fünf Jahre war sie Geschäftsführerin der Zukunftsstiftung Landwirtschaft und für den Tierzuchtfonds für artgerechte Tierzucht aktiv und anschließend Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland. Seit 2014 leitet sie als Geschäftsführerin die Arbeit von UnternehmensGrün e.V., dem Bundesverband der grünen Wirtschaft.
Das Gespräch führte Andreas Görner für die Stiftung Lebensraum.