In Ingelheim zuviel Pestizide bei Bienen

Unsere Stiftung Lebensraum setzt sich in der Region für eine regenerative Landwirtschaft ein, die regionale Wertschöpfung erzielt und dem Wohl von Menschen, Tieren, Pflanzen und Boden dient. Rheinhessen und die Stadt Ingelheim sind Teil unserer Region, deshalb hat uns die Pressemitteilung des Imkerverbandes Rheinland-Pfalz e.V. zur Kontamination des Blütenpolles mit Pestiziden besonders alarmiert. Nachfolgend geben wir die Pressemitteilung im Wortlaut wieder.

 

Ingelheim – Rotweinstadt – Pestizidhauptstadt

34 verschiedene Pestizidwirkstoffe wurden 2016 in einer Probe Blütenpollen aus ingelheimer Bienenvölker gefunden, so Dr. Johannesen vom Fachbereich Bienenkunde in Mayen. 96% aller Proben waren belastet. Der Kreisimkerverein Ingelheim-Bingen hat zu dieser Veranstaltung eingeladen, um mehr über die Pestizidbelastung in Ingelheim zu erfahren. Mit diesem Befund ist Ingelheim bundesweit Spitzenreiter beim deutschen Bienenmonitoring. Im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums hat der Fachbereich Bienenkunde weitere Untersuchungen in Ingelheim durchgeführt. Rückstände bis 50µg pro Kg Blütenpollen sind in der Regel zulässig, bei überschreiten dieser Grenze darf das Produkt nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Bienenvölker bilden im Blütenpollen den Zustand ihrer Umwelt ab.

Blütenpollen sind die „Babynahrung“ für die Honigbienen, aber auch für alle Wildbienen und Hummeln. Bei den Untersuchungen wurden sehr viele Höchstmengenüberschreitungen festgestellt. Die Ergebnisse kann man zusammenfassen: es werden Rückstände aus dem Rapsanbau gefunden, aus dem Obstbau wie auch insbesondere aus dem Weinbau. Hier wird auch Pollen von der Rebenblüte nachgewiesen. Die Quelle der Kontamination vermutet Johannesen insbesondere in blühenden Pflanzen zwischen den Rebenreihen und den Obstbaumreihen. So wurde auch das Hormonpräparat Fenoxicarb ohne reguläre Zulassung im Obstbau mit 900 µg/Kg in Blütenpollen des Weißklees und von Kreuzblütlern gefunden. Die Rückstände kommen aus der Landwirtschaft. Ingelheim hat weiterhin jedes Jahr bundesweit die größte Anzahl unterschiedlicher Wirkstoffrückstände.

„Wo viele verschiedene Wirkstoffe gespritzt werden finden wir auch viele verschiedene Wirkstoffrückstände in den Blütenpollen“, so Johannesen. Die Namen und Menge der 34, 2016 in Ingelheim gefundenen Wirkstoffe und auch die der Folgejahre wollte Herr Dr. Johannesen nicht nennen. Wem er damit einen Dienst leistet? Auf Nachfrage druckste er herum und bestätigte, dass in Ingelheim nicht nur viele, sondern auch hohe Rückstände gefunden wurden und diese Blütenpollen in Ingelheim nicht mehr verkehrsfähig seien. Für die Imkerinnen und Imker in Ingelheim ist das verheerend. Es ist auch nachzuvollziehen, warum der Vorsitzende des Kreisimkervereins Ingelheim-Bingen, Franz Wassermann, dem Kamerateam des SWR keine Drehgenehmigung für diese Veranstaltung gegeben hat. Er fürchtet um das Image des Vereins.

Aus der Versammlung heraus kommt auch die Frage, warum nichts passiert, obwohl den Behörden die Fakten seit Jahren bekannt sind. Da die Landesbehörden ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, sieht der Imkerverband Rheinland-Pfalz sich in der Pflicht, die Gesellschaft über diese alarmierenden Zustände zu informieren um gemeinsam Lösungen zu finden. Ein Bienenvolk ist ein Radar für den Zustand unserer Umwelt. Aber was bedeuten diese Ergebnisse für die Honigbienen, für die Umwelt, für die Wildbienen und anderen Insekten? Was bedeutet das für die Menschen in Ingelheim? Ingelheim kann die Pestizidreduktion aber selbst in die Hand nehmen. Der Imkerverband Rheinland-Pfalz e.V. bietet Städten und Kommunen seine Unterstützung beim Aufbau und bei der wissenschaftlichen Begleitung eines eigenen Pestizidmonitorings an. Mit den damit gewonnenen Informationen kann ein runder Tisch, zu dem alle Beteiligten, insbesondere die Winzerinnen und Winzer, Bäuerinnen und Bauern eingeladen werden, nach und nach Lösungen erarbeiten.

Für Franz Botens, 2. Vorsitzender des Imkerverbandes Rheinland-Pfalz e.V. stellen sich folgende Fragen:

  • Warum verheimlicht das Landwirtschaftsministerium Informationen zu den Pestizidrückständen?
  • Warum stellt der Fachbereich Bienenkunde des DLR seine Ergebnisse nicht auf die Homepage?
  • Warum findet sich nicht eine einzige Publikation, noch nicht einmal eine Publikationsliste auf der Seite des Fachbereichs Bienenkunde, obwohl dort drei promovierte Wissenschaftler*innen angestellt sind?
  • Warum informiert der Fachbereich Bienenkunde die Imkerschafft nicht über die Gefahr des Inverkehrbringens von Blütenpollen mit Rückstandshöchstmengenüberschreitungen?
  • Warum warnt die Umwelt- und Verbraucherschutzministerin nicht vor dem Verzehr von Blütenpollen?
  • Warum unternimmt das Umweltministerium nichts gegen die hohen Pestizidrückstände in den Blütenpollen? Am 30.08.2017 wurde im Beisein der Ministerin das Problem vorgestellt.
  • Warum werden die Kosten für die Rückstandsuntersuchungen nicht von den Verursachern getragen?
  • Wer haftet für die Schäden in der Natur?
  • Wer haftet für Schäden bei den Konsumierenden?
  • Wer haftet für die Einkommensverluste der Imkereien?
  • Wann greif die Landesregierung unsere Forderung nach einem Pestizidkataster auf?
  • Wann greift die Landesregierung unsere Forderung nach einem landesweiten Pestizidmonitoring auf?
  • Braucht es erst ein Volksbegehren wie in Baden-Württemberg um die Landesregierung auf Trab zu bringen?

    Franz Botens
    Imkerverband Rheinland-Pfalz e.V.
    2. Vorsitzender

Als Ergänzung zur Pressemitteilung weist der Imkerverband auf das Bienenmonitoring der Universität Hohenheim hin.
Weiterhin auf den Vortrag von Annely Brandt zu diesem Thema: