“Keine Strafe für Klimastreiks”, fordert Vorstandsmitglied Jörg Weber

Wenn europaweit freitags junge Menschen unter dem Motto “Fridays for Future” auf die Straße gehen, dann kann das heftige Reaktionen auslösen. So drohen den Schülern in einigen Bundesländern Strafzahlungen, wenn sie “die Schule schwänzen” und stattdessen für ihre Zukunft protestieren. Jörg Weber, Vater von vier Töchtern und Vorstandsmitglied der Stiftung Lebensraum, findet das nicht richtig und fordert: “Keine Strafe für Klimastreiks”.

Seinen persönlichen Brief an das Aktionsbündnis “fridaysforfuture” geben wir nachfolgend wieder.

Keine Strafe für Klimastreiks, April 2019

Wertes junges Aktionsbündnis,

vielleicht sollten in Bayern bzw. dort wo Strafzahlungen drohen, die Streiks direkt in die Schule verlegt werden. Große Aktionen können weiterhin öffentlichkeitswirksam an markanten Plätzen durchgeführt werden. Durch den Streik in den Schulen kann ggf. noch eine viel größere Anzahl von Schülern und Schulen zum Mitmachen bewegt werden.

Viele Pflichtverletzungen sind gegenstandslos, da man sich weiterhin “unter Aufsicht” und “im Hoheitsbereich” der Schule aufhält, aber gleichzeitig massiv vom wichtigen Demonstrationsrecht innerhalb einer freiheitlich geprägten Grundordnung Gebrauch macht. Gleichfalls können vor Ort Informationskampagnen und Aktionen für den Klimaschutz und für ein Klima gerechtes Handeln entwickelt, aufbereitet, geplant, verbreitet und ausgeführt werden “Klimawerkstatt”. Ein sehr anspruchsvolles und lehrreiches Unterfangen.  Rebellion in seinen Grundzügen und den Auswüchsen zu verstehen, Kipppunkte für einen Systemwechsel erkennen und sich Gedanken über eine neue Grundordnung machen ist ein sehr anspruchsvolles politisches und historisches Unterfangen. Das trifft auch für die Schule selbst zu, da müsst Ihr heran.

Mit dem Anspruch

  • überlebenswichtige Themen wie angewandter Klimaschutz viel stärker und flexibler in den Schulalltag integrieren zu können,
  • dem klassischen Reglement von verstaubten Vorgaben aus unverrückbaren Lehrplänen zu widersprechen, die über den Kopf der Schüler hinweg aus zentralistisch geprägter Bürokratie entwickelt und übergestülpt wurden und die nicht das individuelle Wohl des einzelnen Schülers verfolgen. Solche dienen hauptsächlich politischen Interessen und Interessensgruppen die davon profitieren und entspringen so angewendet der mittlerweile veralteten Idee der Gleichmacherei, welche junge Menschen in einem altertümlichen Wettbewerb in der Schule entzweit, in gute und schlechte unterteilt, sie unnötig unter Stress setzt und viel zu oberflächlich bewertet und kategorisiert, anstatt die individuellen Talente des Einzelnen innerhalb einer Gemeinschaft zum Wohle aller in der Gesellschaft zu fördern.

Der heute angesagte Trend ist Wissen in agilen Teams zu entwickeln und in der Gruppe gemeinschaftlich wissen viel schneller anzueignen, wofür “Fridays for Future” auch stehen könnte. Neben dem bloßen Abblocken kann die Schule dann solch wahrhaftig wichtige Themen aufgreifen und fortschrittliche Reformgedanken für den Schulalltag aufgreifen und thematisieren und ggf. sogar mitgestalten. Demonstration und Rebellion entstehen immer von unten aus einer anhaltend wahrgenommenen Unbeweglichkeit des etablierten, herrschenden Systems. Regeln wurden zunächst einmal von anderen gemacht. Sie bieten einer Gesellschaft Leitblanken für das Verhalten innerhalb der Gemeinschaft. Sie sind veränderbar und müssen dem gesellschaftlichen Wandel standhalten und immer wieder angepasst werden. Dogmatisches beharren und eine Anwendung von Regeln entgegen dem Wohl der Gesellschaft ist Missbrauch und dem ist entsprechend zu begegnen, so wie von Euch initiiert.

Durchhalten und Veränderungen zum Wohle anderer durchsetzen ist die Devise, damit auch der zu starr gewordene Regelapparat aufgebrochen und angepasst werden kann. Weiter so! Habt Mut und bleibt am Ball, Ihr habt nur das Beste für Eure Zukunft verdient und müsst nicht den vorgegebenen Konzepten und Strukturen der vorangegangenen Generationen folgen. Das meiste wurde nur ausgedacht und ist veränderbar. Nehmt die guten Errungenschaften dankbar an und geht neue Wege hin zu einem besseren Zusammenleben auf der Welt …

Euer

Jörg Weber
Mitglied im Vorstand der Stiftung Lebensraum