Rheinhessen geht beim Klimaschutz voran

Tobias Diehl, Landwirt aus Ingelheim, bewirtschaftet dort einen typischen Mischbetrieb mit Ackerflächen, Obst- und Weinbau auf 250 Hektar. Er war einer der Besucher bei der Bodentagung in Ingelheim, in einem kurzen Video sagt er, was Humusaufbau für ihn bedeutet und wie er die Humus Initiative der Stiftung Lebensraum bewertet. Sein Kollege Michael Gottschalk, der in Ingelheim einen Obstbaubetrieb mit 16 Hektar bewirtschaftet, hat ebenfalls in einem Video seine Sicht auf die Initiative Humus erläutert.

Vor der Tagung war dieser Slogan “nur eine Aufgabenbeschreibung”, nach der Tagung ist die Humus-Initiative einen großen Schritt weiter und geht in die konkrete Umsetzung. Mehr als 150 Gäste, darunter gut ein Drittel Landwirte, war am 8. Februar in den großen Saal des WBZ in Ingelheim gekommen und am Ende lagen viele, viele schriftliche Absichtserklärungen auf dem Tisch. Die Landwirte werden jetzt für den 28. Februar auf den Hengstbacherhof , den Sitz unserer Stiftung, eingeladen. Dort werden die Details der Humus-Initiative erörtert und die Verträge für die KlimaFarmer abgestimmt. Dieses Bekenntnis zum Handeln ist das wichtigste Ergebnis der Bodentagung, auf dem Weg dahin gab es für die Teilnehmer vier Stunden lang geballte Informationen, die ein genaues Zuhören erforderten.

Der Oberbürgermeister der Stadt Ingelheim, Ralf Claus, hob in seiner Begrüßung die selbst gegebene Verpflichtung hervor, bis 2050 zur klimaneutralen Stadt zu werden. Vieles, so der Oberbürgermeister, ist schon umgesetzt oder konkret auf dem Weg. Etwa die regionale Erzeugung erneuerbarer Energie, Gebäudesanierung, Radwege und Verkehrsführung. Und vieles sei noch zu tun, eine regenerative Landwirtschaft und auch Humusprämien könne für Ingelheim mit seiner langen Tradition im Obstbau, Weinbau und den gemischten Höfen wertvolle Impulse liefern.

Die Klimakrise ist angekommen in Rheinhessen. Dr. Tilman Sauer vom Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen Rheinland-Pfalz stellte in seinem Fachvortrag Zahlen und Fakten vor, die das große Wort von der globalen Klimakrise herunterbrechen auf unser Bundesland und die gemessenen Werte mit Ortsnamen zwischen Mainz, Landau, Trier und Koblenz verbinden, die viele Menschen hier kennen und die ihre Heimat sind. Das Aufgabengebiet von Dr. Tilman Sauer ist die wissenschaftliche Erforschung und Dokumentation des Klimas und so war es ihm auch ein Anliegen, die Entstehung von Klimamodellen zu erklären. Da ist zunächst die Erhebung von Meßwerten, also Temperatur, Regenmenge, Windstärke. In den letzten einhundertfünfzig Jahren werden diese Meßwerte immer dichter erhoben und heute mithilfe modernster Rechner zusammengeführt. So wird die Beschreibung des jeweiligen Ist-Zustandes immer präziser und neben den atmosphärischen Daten fließen auch Bodendaten, Erntemengen und vieles mehr mit ein. Aus all diesen Daten und ihren Veränderungen über die Zeit entstehen Klimamodelle mit Erklärungen für die Vergangenheit und Prognosen für die Zukunft. Angesichts vieler “wissenschaftlicher Schreckenszenarien” riet Dr. Sauer zum genauen Hinschauen. “Klimamodelle und vor allem konkrete Hochrechnungen sind keine absoluten Wahrheiten, deshalb legen wir mehrere Klimamodelle übereinander und sehen so, wo ihre Schnittmengen liegen und wo es Abweichungen gibt. Und eins ist klar, es gibt kein einziges Klimamodell, das von sinkenden Temperaturen ausgeht. Alle Klimamodelle zeigen steigende Temperaturen, global und regional.”

Die Landwirtschaft ist zugleich Opfer und Mitverursacher des Klimawandels, deshalb richtete sich die Bodentagung gezielt an Landwirte, Unternehmen und Bürger in Rheinhessen, die gemeinsam und solidarisch die Landwirtschaft der Zukunft entwickeln. Ein großer Schritt zum aktiven Klimaschutz im Land. Joachim Böttcher und Armin Meitzler sind Praktiker, der eine Gärtner, der andere Landwirt in Rheinhessen auf 240 Hektar. Beide engagieren sich ehrenamtlich im Vorstand der Stiftung Lebensraum und präsentierten in Ingelheim, wie Humusprämien den Weg zu einer regenerativen Landwirtschaft öffnen. Das Wissen und die Verfahren für einen nachhaltigen Humusaufbau im Boden sind vorhanden, jetzt gilt es, sie zu nutzen. Schon 1% mehr Humus auf den Äckern in Rheinland-Pfalz kann die gesamten CO2-Emissionen eines Jahres binden. Regional und wertschöpfend für alle. Anders als viele technische Lösungen schafft Humusaufbau Zusatznutzen. Wasser und Nährstoffe bleiben im Boden, unser Essen schmeckt und ist gesund. Wenn Sie mehr über regenerative Landwirtschaft, dauerhaften Humusaufbau und die Bindung von Kohlenstoff (das C in CO2) im Ackerboden wissen möchten, dann empfehlen wir Ihnen die Fachbeiträge der beiden auf dieser Webseite.

Armin Meitzler, Tag für Tag regenerativ

Joachim Böttcher, Humus als CO2-Speicher

Die Landwirtschaft sieht sich in der Klimadebatte oft heftiger Kritik ausgesetzt und wehrt sich mit Protesten, grünen Kreuzen und der Forderung nach gerechten Marktpreisen für Lebensmittel. Die Humus-Initiative setzt genau an dieser berechtigten Forderung vieler Landwirte an und betont das Potential unserer Böden als CO2-Senke. Statt Verursacher können Landwirte Teil der Lösung sein und klimaschädliche Emissionen aus der Region in Form von Humus binden. All das geht nicht zum Nulltarif, Unternehmen, Bürger und Kommunen finanzieren diese wichtige Zukunftsarbeit, indem sie Humuszertifikate kaufen und sich damit CO2 neutral stellen. Wie einfach das geht, stellte Dietmar von Blittersdorff in seinem Vortrag vor.  Analysieren, reduzieren, kompensieren, das ist das nicht ganz “so närrische Dreigestirn” der Humuszertifikate. Und weil konkret besser ist, zeigte Dietmar von Blittersdorff seinen ganz persönlichen Dreisprung.

Mithilfe des Emissionsrechners des Umweltbundesamtes sah er zunächst dem eigenen Verbrauch ins Auge, mit gut 9 Tonnen CO2 pro Jahr lag er zwar 2 Tonnen unter dem Bundesdurchschnitt, hatte sich aber selbst “besser” eingeschätzt. Mit einigen Lebensstiländerungen beim Essen oder Autofahren reduzierte er seinen Wert nochmals und schließlich kompensierte er den (noch) unvermeidbaren Rest, indem er Humuszertifikate kaufte. Wenn Sie als Unternehmen, Bürger oder Kommune genau so machen wollen, dann finden Sie ausführliche Infomationen auf dieser Webseite.

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden vor allem Fragen der Tagungsgäste beantwortet und auch kritische Anmerkungen diskutiert. Etwa, wo die Grenzen des Humusaufbaus im sandigen Boden Rheinhessens liegen oder welche Bodenbearbeitung auf besonders geschützten Biotopen nach Par. 24a des Naturschutzgesetzes überhaupt möglich ist und solche Flächen gibt es in Rheinhessen viele. Geleitet wurde die Podiumsdiskussion von dem bekannten Journalisten und Radiomoderator Florian Schwinn, der neben seiner Moderation auch eigene Statements einbrachte. Denn seit Jahren beschäftigt er sich umfassend mit Landwirtschaft, Tierhaltung und Boden. Eine Rezension seines Buches “Rettet den Boden” finden Sie auf dieser Webseite.

Das letzte Wort an diesem Tag hatte Dr. Christiane Döll, die seit kurzem als Beigeordnete  und Dezernentin in Ingelheim auch für die Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt zuständig ist. Die Zukunftssicherung der Landwirtschaft mit regenerativer Bodenbearbeitung, regionaler Wertschöpfung und Erhaltung unserer Kulturlandschaft nimmt dabei einen zentralen Raum ein. “Deshalb begrüßen wir als Stadt Ingelheim die Humus-Initiative und werden uns in die weiteren Gespräche einbringen und schauen, was wir konkret hier vor Ort umsetzen können”, so die Umweltdezernentin. Und einen persönlichen Appell an jeden Bürger hatte sie auch dabei: “Wenn Sie das nächste Mal Erde für Ihren Garten brauchen, nehmen Sie keine Erde mit Torf und leisten Sie so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz”. Torfmoore sind die größten terrestrischen CO2-Speicher weltweit. Werden sie trockengelegt, um den Torf abzubauen so wie das in großem Stil in Osteuropa geschieht, dann entweichen ungeheure Mengen schädlicher Klimagase in die Atmosphäre.

Die Bodentagung in Ingelheim war ein großer Erfolg. Volles Haus, interessante und detailreiche Vorträge, kritische Diskussionen und viele konkrete Absichtserklärungen für die Humus-Initiative. Rheinhessen geht beim Klimaschutz voran.

Die Stiftung Lebensraum dankt der Klimainitiative Ingelheim, ganz besonders Gisela Bräuninger und Jörg Wirtz, für die ganze Vorarbeit und die sehr gelungene Organisation während des Bodentages.

Moderator und Referenten der Bodentagung, v.l.n.r.
Dietmar von Blittersdorff, Armin Meitzler, Dr. Christiane Döll, Florian Schwinn, Ralf Claus, Joachim Böttcher, Dr. Tilman Sauer